Vorbemerkung Wir führen seit längerer Zeit eine intensive Auseinandersetzung mit Bolşevik Partizan über die Ursachen der Restauration des Kapitalismus in den ehemals sozialistischen Ländern. Im Rahmen einer ersten intensiven Schulung haben wir gemeinsam den Abschnitt „Die sozialistische Produktionsweise“ des Lehrbuchs „Politische Ökonomie“ debattiert. Wir veröffentlichen hier die Ergebnisse. Ein/e GenossIn referierte anhand des jeweiligen Kapitels des Lehrbuches, die in den bisherigen Diskussionen in unseren Organisationen festgestellten Probleme, Kritiken und Fragestellungen. Zu diesen Vorträgen wurden weitergehende Fragen aufgeworfen und Diskussionsbeiträge gemacht.Im folgenden Text beziehen sich die Jahresangaben zu den unterschiedlichen Ausgaben des Lehrbuchs der Politischen Ökonomie auf das russische Original.
Teil VII Analyse der Restauration des Kapitalismus in der sozialistischen Sowjetunion - Was tun im Sozialismus?
Lehrbuch:
Dritter Abschnitt –
Die sozialistische Produktionsweise
Die sozialistische Produktionsweise
Das
sozialistische System der Volkswirtschaft
Kapitel
XXXIII „Wirtschaftliche Rechnungsführung und Rentabilität.
Selbstkosten und Preis“ und
Kapitel
XXXIV „Das sozialistische System der Landwirtschaft“
Referat
Kapitel
XXXIII „Wirtschaftliche Rechnungsführung und Rentabilität.
Selbstkosten und Preis“
In
diesem Kapitel wird vor allem mit dem Begriff „Rentabilität“
hantiert: Die Betriebe müssen rentabel arbeiten. Rentabilität
ist ein rein kapitalistischer Begriff. So wie wir bereits diskutiert
haben, kann man diese kapitalistischen Begriffe verwenden oder nicht.
Diese Begriffsbezeichnung besagt aber auch etwas. Die staatliche
Planungsorganisation gibt für jeden Betrieb die Planzahlen,
Planziele vor und legt fest‚ ‚ihr produziert so und so viel‘.
Die Aufgabe der Betriebe ist die Planerfüllung. „Die
wirtschaftliche Rechnungsführung beruht auf der materiellen
Interessiertheit des Betriebes“ (S. 531) In dem
Lehrbuch der Politischen Ökonomie wird für die Stärkung der
sozialistischen Wirtschaft (wie wir bereits debattiert haben) die
materielle Interessiertheit eines jeden Arbeiters und einer jeden
Arbeiterin als Prinzip festgelegt. Es gibt auch die materielle
Interessiertheit des Betriebes. Wie wird diese erreicht? Der Staat
gewährt dem Betrieb, der den Plan erfüllt, eine Prämie. Wer den
Plan übererfüllt, erhält eine Extraprämie. Je höher die
Planüberfüllung ist, desto mehr wird der Betrieb belohnt. Dadurch
indirekt auch natürlich die ArbeiterInnen. Dann wird technisch das
Verfahren erklärt, wie diese Betriebsfonds etc. verteilt werden. Es
gibt zusätzlich zu den Prämien, die an den Betrieb fließen, einen
so genannten ‚DirektorIn-Fonds‘. Über diesen kann der/die
DirektorIn persönlich verfügen. Er/sie kann nach eigenem Ermessen
über dessen Verwendung entscheiden. Auf Seite 538 wird das Volumen
dieses DirektorIn-Fonds, also nicht die Prämien für den Betrieb,
sondern was an den DirektorIn-Fonds darüber hinaus fließt,
dargelegt: „Dem Direktor-Fonds werden 1-5% des geplanten
Reineinkommens des Betriebs (des Gewinns) zugeführt, je nach der
Bedeutung der einzelnen Produktionszweige, der Zahl der Beschäftigten
und der Höhe des Reineinkommens. Um einen Anreiz für die
Übererfüllung des Plans der Akkumulation des Reineinkommens zu
geben, ist festgelegt worden, daß 15-45% des überplanmäßigen
Gewinns an den Direktorfonds zu überweisen sind.“ (S. 538)
Wenn
die Betriebe einen Plan erfüllen, dann ergibt sich ein Reingewinn.
Dieser Reingewinn steht zwar auf dem Papier, da er nur errechnet
wird. Denn die Staatsbetriebe tauschen untereinander Produkte aus.
Bei diesem Produktenaustausch wird in Geldwert gerechnet. Wenn ein
Betrieb in Geldwert gerechnet ein Plus erzielt (Reingewinn) – in
der Umgangssprache, in kapitalistischer Sprache der Profit –
fließen ein bis fünf Prozent dieses Reingewinns in den
DirektorInnen-Fonds. Wenn der Plan nicht nur erfüllt, sondern
übererfüllt wird, dann gehen zusätzlich 15 bis 45 Prozent dieser
Spanne auch in den DirektorInnen-Fonds. „Diese Überweisungen
können vorgenommen werden, vorausgesetzt, daß der Betrieb den
staatlichen Plan für die Warenproduktion nach dem festgelegten
Sortiment, die Kostensenkungsauflage und den Plan der Akkumulation
des Reineinkommens erfüllt hat.“ (ebenda)
Was
wird damit gemacht? „Die Hälfte der Mittel des Direktorenfonds
wird für den Unterhalt von Kinderstätten, für die Einrichtung von
Erholungsheimen, Sanatorien, Betriebsküchen und Klubs, für den
Erwerb von Plätzen in Erholungsheimen und Sanatorien, für die
Auszahlung individueller Prämien an Arbeiter, Ingenieure, Techniker
und Angestellte sowie für einmalige Beihilfen an
Belegschaftsmitglieder, und die andere Hälfte für die Erweiterung
der Produktion sowie für den Bau und die Instandhaltung von
Betriebswohnungen verwendet.“ (ebenda)
Es
werden u.a. individuelle Prämien verteilt. Der Betriebsdirektor
bestimmt, an wen die Hälfte dieses DirektorInnen-Fonds als Prämie
ausgezahlt wird. Für ihn gilt nur die Vorgabe, die eine Hälfte muss
für soziale Einrichtungen und die andere an die Belegschaft gehen.
Wie er dann das macht, ist seine Angelegenheit „Das
Reineinkommen der Betriebe nimmt in Folge der ständigen schnellen
Steigerung der Produktion und der Arbeitsproduktivität sowie der
Senkung der Selbstkosten ununterbrochen zu. Die Gesamtsumme des
Reineinkommens (des Gewinns) der Betriebe und Wirtschaftsorganisation
der UdSSR belief sich 1932 auf 6,6 Milliarden Rubel,
1940 auf 31,8 und 1953 auf 89,8 Milliarden Rubel.“
(ebenda)
Stellt
euch vor, über welch eine Summe der/die DirektorIn allein verfügt
und im Prinzip damit die Möglichkeit eröffnet wird,
Betriebsangehörige zu bestechen. Er ist derjenige, der Unsummen von
Geldern verteilt. Es gilt ja auch das Prinzip der Einzelleitung. Von
diesem Einzelleiter, dem sich alle unterordnen müssen, wird die
Prämie ausgegeben. Die DirektorInnen können auch die Pläne
mitbestimmen. Das kann im Interesse der ArbeiterInnenklasse nur
verlaufen, wenn der/die DirektorIn wirklich KommunistIn ist. Denn das
ist eine enorme Machtkonzentration. Wenn das keine standhaften
KommunistInnen sind, die nicht fest auf dem Sozialismus stehen, dann
ist das Proletariat aufgeschmissen. Dann verteidigen die
DirektorInnen natürlich ihre eigene Pfründe. Dieses System lädt
direkt zur Korruption ein. Das ist wirklich das System der Manager.
Die
kapitalistischen Manager erhalten unheimlich hohe Dividenden vom
Monopolkapital. Je mehr sie dem Monopol Profite (Reingewinn)
„erwirtschaften“, desto höher ist ihr eigener Gewinnanteil. Wenn
zum Beispiel Arbeitsplätze durch Managementfehler gestrichen werden,
müssen Manager nicht dafür geradestehen – sie werden sogar noch
mit hohen Abfindungen belohnt.
Auch
für die DirektorInnen in der sozialistischen Ökonomie sind z.B.
keine Sanktionen vorgesehen. Einzige „Strafe“ ist, wenn sie den
Plan nicht erfüllen, dann bekommen sie keinen DirektorInnen-Fonds.
Mehr nicht. Bei diesem Punkt sind die kapitalistischen
Leitungsverhältnisse auf den Sozialismus übertragen. Auch mit dem
Etikett Sozialismus versehen, sind das trotzdem kapitalistische
Verhältnisse, die auch mit kapitalistischen Begriffen wie
Rentabilität etc. definiert werden.
Den
Betrieben wird wirtschaftliche, operative Selbständigkeit
zugestanden: „Die wirtschaftlich-operative Selbständigkeit der
staatlichen Betriebe entfaltet sich im Rahmen des Volkseigentums an
Produktionsmitteln, denn Eigentümer der einem bestimmten Betrieb zur
Nutzung übergebenen Produktionsmittel bleibt der sozialistische
Staat.“ (S. 530)
Zwar
wird gesagt, dem Staat gehören die Produktionsmittel, aber jeder
Betrieb ist operativ, wirtschaftlich selbständig. Das ist auch ok.
Natürlich muss jeder Betrieb in einer Hinsicht autonom arbeiten. Das
Problem liegt in dem Widerspruch, dass ein zentraler Plan existiert
und die Autonomie nur sehr begrenzt ist. Auf der einen Seite wird
klar gesagt: Es gibt einen zentralen Plan und auf der anderen Seite
der Betrieb hat eine Selbständigkeit. Diese ist aber durch den Plan
begrenzt. Selbständigkeit besteht in einer Hinsicht darin, über
Gelder zu verfügen, wenn über den Plan hinaus produziert und
verdient wird. Das zusätzliche Einkommen des Betriebes muss nicht
zwangsläufig in die Verfügungsgewalt der DirektorInnen gegeben
werden, sondern könnte zum Beispiel direkt an den Staat fließen.
Über den Staat wird doch die ganze Gesellschaft organisiert und
finanziert. Hier ist aber nicht die ganze Gesellschaft, sondern nur
der Betrieb und zwar mittels des Direktors beteiligt. Die
ArbeiterInnen in diesem Betrieb, die den Plan übererfüllt haben,
erhalten somit mehr von dem gesellschaftlichen Reichtum als
ArbeiterInnen, die den Plan nicht erfüllt haben.
Das
bringt wieder mit sich, dass die Unterschiede und die Konkurrenz
unter den ArbeiterInnen, die Konkurrenz unter den Betrieben über den
„Profit“ läuft. Bringst du Profit, dann bekommst du von dem
Profit mehr, dann kannst du mehr vom Reichtum der Gesellschaft haben.
Machst du nicht genug Profit, dann hast du Pech gehabt. Auch wenn das
Sozialismus genannt wird, ist es eine Weiterführung der
kapitalistischen Betriebsführung.
Hatten
die KommunistInnen in der Sowjetunion die Möglichkeit, das anders zu
machen? Ich glaube nicht. Mit diesem Bewusstsein der
Gesamtgesellschaft hätte höchstwahrscheinlich nicht anders
vorgegangen werden können. Die Frage ist dann, ob es vielleicht
nicht richtiger gewesen wäre zu sagen, wir sind noch nicht so weit.
Wir führen jetzt zwar unter der Diktatur des Proletariats einen
Staat, aber wir sind noch nicht so weit, wirklich alle
sozialistischen Ziele durchsetzen zu können. Dafür werden wir diese
und jene Schritte noch machen müssen. Ob es dem Proletariat nicht
mehr gedient hätte, wenn das so dargelegt worden wäre? Es hätte
dazu aufgerufen werden sollen: Wir müssen, um unser Ziel, den Aufbau
und die Verwirklichung des Sozialismus zu erreichen, im Kampf gegen
kleinbürgerliche Konkurrenz noch diese Probleme zusammen überwinden.
Anstatt wie im Lehrbuch praktiziert wird, zu sagen, „toll, wir
bauen den Sozialismus auf und gehen allmählich zum Kommunismus
über“.
Im
Lehrbuch benennen die marxistisch-leninistischen Ökonomen die
„materielle Interessiertheit der Werktätigen“ und die
„materielle Interessiertheit des Betriebs“ auch „Kontrolle
durch den Rubel“. Über Geld sollen KommunistInnen im Sozialismus
kontrollieren, dass es vorwärts zum Kommunismus geht!?
Kapitel
XXXIV
„Das sozialistische System der Landwirtschaft“
„Das sozialistische System der Landwirtschaft“
Diese
Frage haben wir in den vorhergehenden Kapiteln ziemlich umfassend
diskutiert. Durch dieses ganze Kapitel zieht sich das
Durcheinanderbringen und Vermischen der zwei grundlegenden Formen von
landwirtschaftlichen Organisationsformen im Sozialismus, von
Sowchosen und Kolchosen 1.
Die im Prinzip unterschiedlichen Formen des Gemeineigentums an
Produktionsmitteln sind durchgehend da. Sowchosen und Kolchosen
werden insgesamt alle als sozialistisch etc. dargelegt. Die
unbedingte Aufgabe, die Kolchosen in Sowchosen umzuwandeln wird fast
nicht angesprochen. Es wird technisch sehr viel erklärt, wie das
alles vor sich geht, aber die wesentlichen Aufgaben werden nicht
gestellt.
Auch
hier steht die materielle Interessiertheit auch in staatlichen
Betrieben wieder im Mittelpunkt. „Das Prinzip der materiellen
Interessiertheit der Werktätigen an den Ergebnissen ihrer Arbeit
wird in den MTS [Maschinen- und Traktorenstationen] in
besonderen Formen verwirklicht, die sich von den Formen der
Entlohnung in den anderen staatlichen Betrieben und der Vergütung in
Kollektivwirtschaften unterscheiden.“ (S. 551)
Nicht
einmal in den staatlichen Betrieben wird Kurs darauf genommen, die
Lohnunterschiede zu verringern, sondern die materielle
Interessiertheit und die daraus resultierenden Unterschiede werden
als notwendig und richtig dargestellt.
Zur
Organisation in den Kolchosen heißt es: „Der Staat setzt
Musternormen für die Arbeitsleistung und deren Bewertung in
Arbeitseinheiten fest. Die Leitung einer jeden Kollektivwirtschaft
arbeitet den örtlichen Bedingungen entsprechend eigene Arbeitsnormen
und Bewertungssätze aus (die jedoch nicht unter den von der
Regierung empfohlenen liegen dürfen), die von der
Mitgliederversammlung der Kollektivbauern bestätigt werden. Die
Arbeitsnormen müssen fortschrittliche Normen sein, das heißt, sie
müssen auf die Arbeit der besten Kollektivbauern orientiert sein. Am
Anfang des Jahres planen die Kollektivwirtschaften den Aufwand an
Arbeitseinheiten für die einzelnen Zweige und die
landwirtschaftlichen Kulturen und üben sodann eine strenge Kontrolle
darüber auf, daß die Arbeitseinheiten entsprechend der von der
Brigade, der Gruppe und den einzelnen Kollektivbauern geleisteten
Arbeit richtig angerechnet werden.“ (S. 555)
Es
gibt vom Staat festgelegte Arbeitseinheitsnormen. Das heißt, jeder
Kollektivbauer und jede Kollektivbäuerin soll in acht Stunden so und
so viel Kilogramm das oder das produzieren. Das ist also die
Arbeitsnorm, die der Staat festlegt. Wenn die erfüllt ist, dann
heißt es für die Kollektive, der Plan ist erfüllt und die Prämie
folgt. Es bleibt aber nicht dabei. Dann setzt der Leiter der Kolchose
entsprechend den konkreten Gegebenheiten einen zweiten Arbeitslohn
fest. Dieser darf nicht unter dem vom Staat garantierten liegen–
aber er kann höher sein. Wenn er höher ist, dann ist der Plan
übererfüllt. Dann erfolgt die Prämie über die der Leiter, wie bei
dem DirektorInnenfonds, verfügt. Das ist kapitalistisch – ähnlich
wie bei den Staatsbetrieben läuft es auch in den Kolchosen.
Dann
kommt eine ganz interessante Entwicklung, die hier angesprochen wird
und zwar „Die Beschlüsse des Septemberplenums 1953“. Das ist das
erste ZK-Plenum nach dem Tode Stalins. Praktisch festigen die
Chruschtschowianer in diesem Plenum ihre Macht vollständig.
Bereits
drei Jahre vor dem 20. Parteitag. Das ist eine sehr abenteuerliche
Sitzung. Hierüber gibt es auch mehrere Berichte, 2
und auch ein Buch. 3
Das
Plenum soll nach dem Motto: „Wer zuerst die Pistole zieht, der
gewinnt“ verlaufen sein. So etwa ist also dieses ZK-Plenum
verlaufen. Berija wollte Chruschtschow und Chruschtschow wollte
Berija entmachten. Beide haben also ihre bewaffneten Kräfte vor dem
ZK-Plenum postiert und Chruschtschows-Leute waren einfach stärker.
Also wurde Berija festgenommen. Er ist einer der Parteiführer und
angeblich „Stalinist“, also Anhänger der politischen Linie
Stalins. Er ist der Chef der GPU (Geheimpolizei der Sowjetunion).
Berija ist abgesetzt worden. Dann ist er vor Gericht gestellt, zum
Tode verurteilt und erschossen worden. Bei diesem Plenum wurde auch
über die Landwirtschaft diskutiert, und es wurden Beschlüsse
gefasst: „Entsprechend den Beschlüssen des September-Plenums
des ZK der KPdSU (1953) und den folgenden Beschlüssen der
Kommunistischen Partei und des Sowjetstaates, wurde im
Erfassungswesen mit der falschen Praxis Schluß gemacht, für die
führenden Kollektivwirtschaften erhöhte Ablieferungsnormen
festzusetzen, wodurch sich das materielle Interesse der
Kollektivwirtschaften und der Kollektivbauern an der Steigerung
der Produktion verringerte. Ferner wurden die Normen für die
Pflichtablieferung an den Staat für eine Reihe landwirtschaftlicher
Erzeugnisse herabgesetzt. Für diese wurden bezirksweise neue feste
Normen festgesetzt, die von örtlichen Organisationen nicht erhöht
werden dürfen.“ (S. 558)
Die
Kollektivwirtschaften sind Wirtschaften, die Gruppeneigentum sind.
Den Kollektivbauern und nicht der Gesamtgesellschaft gehört das
Produkt, das sie produzieren. Die Gesamtgesellschaft, das heißt der
Staat, legt aber für jedes Kollektiv fest, so und so viel des
Produktes werdet ihr abliefern. Und zwar gegen einen Festpreis. Für
die führenden Kollektivwirtschaften (die bessergestellten), waren
natürlich höhere Abgaben vorgesehen. Diese Festlegung wird im
September 1953 abgeschafft. Das ist das erste. Als Begründung wird
genannt, die bisher festgelegten höheren Abgabenormen führen dazu,
dass das „materielle Interesse der Kollektivwirtschaft und
Kollektivbauern an der Steigerung der Produktion nicht gegeben“
(ebenda) ist. Wenn die KollektivbäuerInnen von der gesteigerten
Produktion mehr dem Staat abgeben müssen, warum sollten sie dann
dafür arbeiten? Dieser Beschluss zeigt, dass dieses Zentralkomitee,
die Interessen der bessergestellten Kollektivbauern, also der reichen
Bauern, verteidigte. Weiter: „Ferner wurden die Normen für die
Pflichtablieferung an den Staat für eine Reihe landwirtschaftlicher
Erzeugnisse herabgesetzt.“ (ebenda) Es blieb nicht dabei,
bessergestellte Kollektivwirtschaften noch besser zu
stellen, sondern bei bestimmten Erzeugnissen, z.B. Schweine,
Weizen, ... wurden auch die Normen für die Pflichtablieferung
niedriger gesetzt. Das heißt, die Bauern konnten mehr behalten. Das
heißt, das Gruppeneigentum wurde erweitert und nicht verkleinert.
Das ist der Revisionismus in der Praxis.
In
diesen konkreten Fragen geht es um die Interessen der Kollektivbauern
und der Kollektive gegenüber wem? Gegenüber dem Staat, gegenüber
der Gesamtgesellschaft.
In
diesem September-Plenum wurde auch beschlossen, dass die Kolchosen
jetzt ihre Leute zu den Maschinen-Traktoren-Stationen (MTS) schicken
und dort ausgebildet lassen konnten, damit sie – falls die MTS in
Zukunft aufgelöst werden – mit den Maschinen umgehen können. Das
wird als eine tolle Entwicklung dargestellt. 1 250 000
Brigadisten aus den Kolchosen wurden zu den MTS geschickt, um dort
ausgebildet zu werden. Das ist die Entwicklung in der Landwirtschaft.
Stalin hatte in der Diskussion über das „Lehrbuch der politischen
Ökonomie“ ganz strikt den Vorschlag, die MTS aufzulösen und ihre
Maschinen an die Kolchosen zu verkaufen, abgelehnt. Sein zentral
richtiges Argument war, das ist ein Rückgang und kein Fortschritt.
Vier Monate nach dem Tod Stalins haben die Revisionisten gerade das
sofort beschlossen, nachdem sie Berija verhaftet hatten. Der
Maschinenpark wurde verkauft. Somit sind die Kolchosen auch
Eigentümer der grundlegenden Produktionsmittel in der Landwirtschaft
geworden. Das ging nicht in Richtung Sozialismus, sondern eindeutig
in Richtung Kapitalismus.
Diskussionen
+ Fragen + Antworten
Beitrag:
Die
Einzelleitung in den Betrieben ist total falsch. Der Referent hat
aber auch gleichzeitig gesagt, dass sie damals keine andere Wahl
hatten. Heutzutage ist es aufgrund der Bildung in den meisten
Ländern, aufgrund der Spezialisierung der ArbeiterInnen sofort
möglich, dass die Arbeiter einen Betrieb leiten etc.
Antwort:
Damals
war das der einzig gängige Weg. Meine Kritik ist, dass sie das nicht
problematisiert haben. Heute ist es anders, die Bildung, das Wissen
sind viel weitreichender als damals. Jeder kann an jedes Wissen
herankommen. Das gab es nicht. Es ist weltweit eine unglaubliche
Demokratisierung des Wissens da, durch die technischen Entwicklungen,
insbesondere was die neuen Kommunikationsmöglichkeiten/Internet etc.
angeht. Man muss natürlich auch lernen, dieses Wissen zu filtern.
Die Erziehung/Bildung in den imperialistischen Ländern zielt darauf
ab, alle ArbeiterInnen auf die eine oder andere Weise zu
qualifizieren. Es gab nur sehr wenige unqualifizierte ArbeiterInnen.
Auch in den abhängigen Ländern existiert ein Stamm von
ArbeiterInnen, die qualifiziert sind. Heutzutage sich auf
Einzelleitung als sozialistisches Prinzip in der Betriebsführung zu
berufen, wäre hundertmal falscher als zu der damaligen Zeit.
Beispiel:
Wir, in der kommunistischen Partei, machen folgende Erfahrung. Wir
haben z.B. einem Kollektiv die Aufgabe gegeben, eine Untersuchung
über die Frage zu erstellen, ob die AraberInnen in
Nordkurdistan/Türkei eine Nation bilden oder nicht. Wir haben eine
bestimmte Zeit festgesetzt. Das haben wir mit diesem Kollektiv
diskutiert, also nicht über seinen Kopf hinweg beschlossen. Nach
einem Jahr haben wir gefragt, wie sieht es aus? Sie antwortete, wir
brauchen noch ein Jahr. Nach einem Jahr hat also die Zelle getagt und
sie hat ein Protokoll über die Zellensitzung verfasst. Darin steht
kein Wort darüber, was aus dieser Aufgabe geworden ist. Sie haben es
nicht mal für notwendig befunden zu sagen, ja, wir haben es
geschafft oder nicht geschafft etc. Dann haben wir nachgefragt, ihr
wolltet doch die Untersuchung abliefern, ihr habt eine Sitzung nach
dem Abgabetermin gemacht und ihr habt nicht einmal darüber geredet.
Wie geht denn das? Sie haben geantwortet: Wir haben das zwar als
Zelle übernommen, aber wir hatten nicht festgelegt wer es macht.
Wie
schaffen wir es, ein solches Verständnis zu brechen, wenn wir den
Sozialismus aufbauen werden? Wenn diese Aufgabe einem einzelnen
Menschen übertragen wird, dann wäre er direkt verantwortlich, dann
würde es nicht so aussehen. In diesem konkreten Fall fühlte sich in
diesem Kollektiv keiner verantwortlich.
Wenn
wir 70 oder 80 Jahre zurückgehen und wir uns in die Situation
hineinversetzen, können wir uns vorstellen, warum sie das gemacht
haben, bzw. warum die objektiven Bedingungen sie dazu gezwungen
haben, so vorzugehen. Ich kritisiere, dass das als sozialistisches
Prinzip etc. dargelegt wird. Ich verstehe aber warum sie das gemacht
haben.
Frage:
Warum
werden bei den Kollektivwirtschaften etc. die Kindertagesstätten von
den Fonds finanziert?
Antwort:
Vom
Staat aus gibt es bestimmte Einrichtungen. Was hier angesprochen
wird, ist die Eigenverantwortlichkeit der einzelnen Betriebe. Als
Bonus für ihre ArbeiterInnen. Motto ist also: Wenn ihr mehr
arbeitet, werden wir durch unsere Prämien bessere und mehr
Tagesstätten haben. Um die ArbeiterInnen zu animieren, besser
und mehr zu arbeiten. Es gab eine Grundausstattung, die nicht sehr
gut war. Wir wissen z.B. in der DDR gab es für Kinder ab drei
Monaten die Krippe oder einen Platz für jedes Kind in der
Kindertagesstätte. Jeder Betrieb hatte die Möglichkeit durch den
DirektorInnenfonds etc. diesen Dienst zu verbessern und auszubauen.
Beitrag:
Dadurch
hat der Staat aber Geld gespart.
Antwort:
Der
Staat überträgt seine Aufgaben möglichst auf die regionale Ebene.
Das ist auch nicht falsch. Das ist aber nicht das sozialistische
Prinzip. Diese zwei Kapitel zeigen ganz klar die Entwicklung des
Revisionismus. An welchen Punkten: In der Industrie ist die
Grundlage der neuen Klasse die leitende Schicht der Industrie, vor
allem die DirektorInnen. Das ist die klassenmäßige Grundlage der
Restauration des Kapitalismus in der Industrie. Sie schaffen unter
sich durch die DirektorInnenfonds die Arbeiteraristokraten, die sie
faktisch durch die Prämien kaufen. Aber die leitende Schicht ist
sozusagen die Oberschicht. Durch diese schaffen die
Parteirevisionisten eine Schicht, die von ihnen abhängig und
materiell viel besser gestellt ist als die Masse der ArbeiterInnen.
Diese Schicht in der Industrie – nach Lenin Arbeiteraristokraten –
hat ein Interesse an der Entwicklung des Revisionismus.
In
der Landwirtschaft, ist die Grundlage die Oberschicht, das
sind wiederum die LeiterInnen der Kolchosen. Insgesamt ist es die
Kolchoswirtschaft. Die neue Bourgeoisie in der Landwirtschaft ist die
Leitungsebene plus der von ihnen gekaufte Teil der reichen
Kolchosbauern. Das kann man hier anhand der Texte klar lesen. Alle
Leiter einer Kolchose oder einer Fabrik sind Parteimitglieder.
In
den Partei- und den Sowjetkontrollgremien gab es meines Wissens nach
auch Mitglieder, die nicht Parteimitglied waren. Sie wurden bewusst
hineingewählt als parteilose Delegierte. Ziel war die Interessen der
parteilosen Menschen zu berücksichtigen. Das war auch ein Hebel um
z.B. die Frauen in die Politik hineinzuziehen. Das hat die KPdSU(B)
ebenso mit verschiedenen anderen Schichten der Bevölkerung gemacht.
Das ist ein sehr positives Beispiel. Ich finde es schon gut, wenn wir
aus dem Buch sehen können, wie die sowjetische Gesellschaft nach
1936 war. Unsere Aufgabe ist, die Ansätze und die ungeheuren
fortschrittlichen Entwicklungen, die gemacht worden sind als positiv
hervorzuheben und herauszustellen. Unsere Forderung ist, diese hätten
weiterentwickelt werden müssen.
Beitrag:
Insgesamt
hat sich schleichend der Revisionismus installiert. Wie eine neue
Klasse nach und nach entsteht – alles im Namen des Sozialismus.
Hinsichtlich der Privilegien muss man sehen, dass Stalin z.B.
gegenüber seinen Kindern, obwohl er diese Position hatte, anders
verhalten hat, als jemand, der die gleichen Möglichkeiten hatte.
Antwort:
Das
habe ich bei der Kontrollkommission, also Lenins Idee 1918 auch
versucht zu erklären. Mit der Arbeiterkontrolle. Parteilose
ArbeiterInnen sollten die Partei kontrollieren etc. Das haben sie
auch weitergemacht bis in die 1930er Jahre. Aber schleichend hat der
Prozess der Restauration eingesetzt. Das war einfach wie später mit
den Blockparteien in der DDR. Es gibt sie zwar auf dem Papier, aber
sie hatten keinerlei wirkliche Funktion. Im Prinzip ist die
Kontrollkommission ein Ableger der KPdSU.
Das
Buch über die Restauration des Kapitalismus, das jetzt vorliegt, ist
Beginn einer Diskussion. Wir werden nicht alle Fragen in diesem Buch
lösen.
Frage:
Was
mir fehlt, ist die Demokratie in der Partei. Wie war die Situation
innerhalb der Partei? Was ist mit dem Auslandsgeheimdienst?
Antwort:
Grundlage
waren die demokratischen Wahlen in den Grundorganisationen,
weiter bis zu den Delegierten. Und dann gibt es also Beschlüsse auf
der Grundlage der Diskussionen. Es ist so, dass tatsächlich alle
Anträge, die in den Kongressen beschlossen, vorher diskutiert
wurden. Sie werden vorher in der Tagespresse monatelang diskutiert
und auch Änderungsvorschläge und Kritiken publiziert etc. Bei den
Parteikongressen ist es so, dass vor dem Kongress diese
Änderungsvorschläge bearbeitet werden. Es gibt einen Bericht, warum
man diese oder jene Änderung genommen hat etc. Dann erfolgt die
Beschlussfassung des Kongresses. Ein etwa 200-köpfiges
Zentralkomitee wird dann gewählt. Aus diesem ZK wählt das ZK unter
sich etwa ein mit 15- bis 20-KommunistInnen gebildetes Politbüro.
Dieses Politbüro ist das oberste Organ. Das ZK tagt etwa alle sechs
Monate. Das Politbüro kann fast immer zusammenkommen. Es gibt im
Politbüro auch einen Ausschuss von drei bis sechs Leuten, die
ständig zusammen arbeiten. Das ist praktisch die Leitung.
Prinzipiell ist es so, dass die ganze Partei vom ZK geleitet wird –
zwischen den Kongressen – aufgrund der Kongressbeschlüsse und die
ganze Partei führt die Beschlüsse des ZK aus.
Es
ist also eine ganz normale Organisation, die entsprechend dem
demokratischen Zentralismus funktioniert. In dem Sinne gibt es
Demokratie – begrenzt, aber demokratisch.
Das
Problem ist – was die Partei betrifft – die Partei wird immer
größer und größer und größer .... Je machtvoller die Partei
ist, desto mehr wollen Leute Mitglied in der Partei werden. Da es in
der ganzen Gesellschaft keine andere Partei gibt, da das praktisch
die einzige Partei ist, die den Staat leitet, ist das die einzige
Möglichkeit für die Leute, die nicht KommunistInnen sind, aber sich
als Kommunisten tarnen und in dieser Gesellschaft irgend etwas
erreichen wollen, in die Partei einzutreten. Die Mehrheit der Partei
bestand 1950 nicht aus KommunistInnen. Für mich ist das eine klare
Tatsache. Wenn ich sehe, was im Namen der Partei beschlossen wurde
... die Mehrheit waren keine KommunistInnen. Da ist jede Demokratie,
jeder Zentralismus etc. völlig egal.
Repressionen:
Es ist so, dass gegen die Konterrevolutionäre – welche die
Parteiorgane konterrevolutionär benannt haben – sehr scharf
vorgegangen wurde.
1
Sowchosen – Sowjetwirtschaften/Staatsbetriebe; Kolchosen –
Kollektivwirtschaften/Landwirtschaftsgenossenschaft
2
„Die Kommunistische Partei der Sowjetunion in Resolutionen und
Beschlüssen der Parteitage, Konferenzen und Plenen des ZK 1898 – 1960
Bd. XI
3
„Der Fall Berija – Protokoll einer Abrechnung“, Das Plenum des ZK der
KPdSU Juli 1953 Stenographischer Bericht, Herausg Viktor Knoll und
Lothar Kölm, Aufbau Taschenbuch Verlag, 1993
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